
Es ist umgekehrt: Dieses Buch brauchte die Welt, denn es entstand aus der Beobachtung, dass mitten in den Städten Boote aus recycelten Materialien gebaut, Kartoffeln kultiviert und Lastenräder montiert werden. Und zwar von einer jungen Generation, für die das Selbermachen offenkundig eine wichtige Rolle für Selbstermächtigung und für neue Formen des politischen Handelns spielt. Sie begreift die Welt als formbares Projekt, und das ist nach der jahrelangen Diagnose ›Politikverdrossenheit‹ eine aufregende Nachricht!
2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Es zeigt, wie facettenreich der ›neue Urbanismus‹ die postfordistische Stadt formt. Städte gelten nicht mehr nur als Verursacher ökologischer Probleme, sondern zunehmend auch als Lösungslabore. Das in unserem Buch beschriebene ›Urban Mining‹ weist weit über die Wiederverwertung von Ressourcen hinaus: Die Suche nach intelligenten Alternativen zu Konsum- und Wegwerfkreisläufen generiert profunde Prozesse des Gemeinschaftlichen, die die Stadt als Ort des guten Lebens re-inszenieren.
3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
Das Buch gibt der immer noch zu technokratisch aufgestellten Umweltforschung neue Impulse und bringt avancierte Sozialtheorie in einen fruchtbaren Dialog mit der Erkenntnis einer ressourcenmäßig begrenzten, aber in ihrer Lebendigkeit grenzenlosen Welt, die heute die fatalen Trennungen und Risse der Industriemoderne überwinden könnte. Nicht zuletzt die neuen Gartenaktivisten haben verstanden, dass der Raubbau an der Natur auch unseren Seelen schadet. Sie tun etwas dagegen. Direkt vor Ort, da, wo sie leben.
4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Mit dem russischen Bauernforscher Alexander Tschajanow. Er hatte früh erkannt, dass die kleinbäuerliche Logik nicht am Wachstum orientiert ist, sondern am Erhalt der Höfe. Diese Logik galt im Industriezeitalter als rückständig, heute ist sie anschlussfähig an aktuelle Debatten um die Postwachstumsgesellschaft. Zum anderen würde mich interessieren, was Donna Haraway zu den Kultur-Naturhybridräumen sagt: Menschen, Bienen, Hühner und Pflanzeninstallationen interagieren in neuartigen Kollektiven bzw. Arrangements miteinander, als Companion species eben.
5. Ihr Buch in einem Satz:
Die postindustrielle Stadt der Commonisten ist demokratisch, inklusiv, erfindungsreich, spannend und grün.
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