Im Berliner Kienbergpark entsteht seit 2020 ein lebendiges Praxisfeld für klimaangepasstes Gärtnern: der Kienberggarten. Die Gartengemeinschaft verfolgt einen permakulturellen Ansatz, der die Grundlage für die Gestaltung und Weiterentwicklung der Fläche ist. Sie verstehen den Garten als Experimentierfeld, um Lösungen für die Zukunft zu finden. Sie wollen den mageren Sandboden in einen humusreichen Gartenboden verwandeln, bauen trockenheitsverträgliches Gemüse und gebietseigene Wildpflanzen an und tropisch anmutendes Obst. Sie experimentieren mit Anbaumethoden, um ihren Gemüsegarten vor Hitze, Starkregen und Sturmböen zu schützen.
Im Fokus stehen Bodenaufbau, Bewässerung bzw. Wassermanagement und Artenvielfalt. Im Kienberggarten wird kompostiert und gemulcht und es gibt Schwammbeete. Die Wege unterstützen das leichte Gefälle und sind so gestaltet, dass Regen aufgefangen und in die Beete geleitet wird. Die Gieß-AG und die „Waterharvesting"-AG optimieren immer wieder die Bewässerung im Garten.
Der Garten ist offen organisiert, gemeinschaftlich gestaltet und setzt auf partizipative Planung, soziale Nachhaltigkeit und ökologische Resilienz. Eine Mischung aus tiefenökologischen Prinzipien, selbstorganisierten Arbeitsgruppen und Experimentierflächen macht den Kienberggarten zu einem vielfältigen Lernort. Die Vision, die alle teilen: eine essbare Landschaft, ein Food Forest vor der Haustür.
In vielen Lebensräumen ist die Artenvielfalt stark zurückgegangen. Gemeinschaftsgärten sind nicht nur Orte zum Gärtnern, naturnah gestaltet, sind sie auch wertvolle Rückzugsräume für Insekten und andere Wildtiere. Im neuen Onlinetool „Wildtiergarten“ der Deutschen Wildtier Stiftung sind die wichtigsten Informationen zum Artenschutz zusammengetragen und für den Garten-Kontext aufbereitet.
Das Tool richtet sich u.a. an Gemeinschaftsgärtner*innen, die ihre Flächen strukturreicher und tierfreundlicher planen oder umgestalten möchten, um so mehr Lebensraum für Wildbienen, Schmetterlinge, Igel und Co zu schaffen.
Im „Wildtiergarten“ gibt es Praxistipps für Wildblumenwiesen, Komposthaufen, Wasserstellen oder Trockenbiotope. Das Tool zeigt mit anschaulichen Illustrationen, kurzen Texten und weiterführenden Links Gestaltungsmöglichkeiten auf. Gemeinschaftsgärtner*innen finden im „Wildtiergarten“ Handlungsmöglichkeiten, die sich gut in Gruppenarbeit oder bei Gartentagen umsetzen lassen. Die interaktive Karte und die Filterfunktion helfen dabei, passende Maßnahmen für unterschiedliche Tiere auszuwählen – ein wertvoller Baustein für Bildungsarbeit, Mitmachaktionen und den Austausch im Netzwerk. Die Nutzer*innen erfahren, wie selbst kleine Maßnahmen in Gemeinschaftsgärten große Wirkung entfalten können – zum Beispiel durch Blühinseln, Totholz und wilde Ecken. Schon kleinste Flächen können einen bedeutenden Lebensraum für kleinere Wirbeltiere sowie Insekten wie Wildbienen und Schmetterlinge bieten.
Für Gemeinschaftsgärten, die sich für Artenvielfalt engagieren möchten, ist der digitale Wildtiergarten ein hilfreiches Werkzeug. Er motiviert, informiert und macht Lust, gemeinsam aktiv zu werden – für mehr (G)Artenvielfalt in der Stadt.
Auf dem Neuen Jacobi-Friedhof in Berlin-Neukölln wächst seit Ende 2019 ein besonderer Ort: der Heilkräutergarten Hevrîn Xelef. Gegründet vom Verein Flamingo e.V. ist er ein Gemeinschaftsgarten von und für Frauen* mit Flucht- und Migrationsgeschichte – zum Gärtnern, Austauschen und Gedenken.
Entstanden ist der Garten aus dem Bedürfnis heraus, einen Ort jenseits enger Büros zu schaffen – einen, an dem Frauen* sich wohl fühlen und nicht bewertet werden. Ein Ort, an dem sie sich mit der Natur und ihrem Wissen zu Heilpflanzen und Heilungsmethoden verbinden und mit ihren Erfahrungen und Verlusten verbunden fühlen können. Der Garten ist unter anderem inspiriert vom autonomen, selbstorganisierten Frauendorf JINWAR in Rojava. Die Frauen, die vor Gewalt und Krieg fliehen mussten, haben in der Mitte des Dorfes einen Heilkräutergarten angelegt. Hevrîn Xelef und JINWAR stehen in engem Austausch, Saatgut und Wissen werden geteilt.
Flucht, Verlust und Trauma sind wichtige Themen im Heil-Kräutergarten. Das Pflanzen von Gedenkbäumen im Hevrîn Xelef bedeutet Frauen* auch über Berlin hinaus viel. Hier haben sie einen Ort für ihre Trauer, hier findet gemeinsame Heilung statt. Der erste Baum, eine schwarze Maulbeere, erinnert an die ermordete Jina Amini, eine Zwetschge ist Gedenkbaum für die vom IS ermordeten Ezidinnen. Der Name des Gartens erinnert an die ermordeten kurdische Politikerin Hevrîn Xelef.
Die Frauen* gärtnern, treffen sich und organisieren Workshops zu Heilkräutern und feministischen Themen. Der Garten bekommt viel Besuch. Um mehr Hintergrundwissen zu vermitteln, plant die Gruppe wetterfeste Info-Tafeln zu den Geschichten der Gedenkbäume und den Pflanzen. Der Garten versteht sich als begehbaren Gedenkort des feministischen Widerstands. Ein lebendiger Ort des Erinnerns. Ein Friedhof auf dem Friedhof, der anders ist.
Mehr über Flamingo e.V. und den Garten
In Ilbenstadt in der Wetterau (Hessen) erwacht ein historischer Ort zu neuem Leben. Der Klostergarten Ilbenstadt blickt auf eine lange Geschichte als Ort der Heilkunst, inneren Einkehr und Selbstversorgung zurück. Auf der jahrzehntelang ungenutzten Brachfläche entsteht Schritt für Schritt Raum für gemeinsames Gärtnern. Auf einem Teil der 6000m² großen Fläche hat sich schon eine Solidarische Landwirtschaft etabliert, und seit 2022 entsteht ein lebendiger Gemeinschaftsgarten. Aktuell hat die Gartengruppe einen Beeren- und Obstgarten, ein Rhabarber-, ein Kürbis- und ein Trüffelfeld angelegt, sowie insektenfreundliche Blumenbeete. Die Anlage von Würz- und Heilkräuterbeeten, sowie die Pflanzung von weiteren Obstgehölzen sind als Nächstes geplant. Benjeshecken und andere strukturschaffende Elemente sind gleichzeitig wichtige Lebensräume, die die Artenvielfalt fördern.
Der Trägerverein „Kultur im Klostergarten“ möchte Nachhaltigkeit, Bildung, Kultur und soziales Miteinander verbinden. Etwa die Hälfte der Gesamtfläche ist derzeit noch Brachland und bietet vielfältige Möglichkeiten für zukünftige Projekte, wie beispielsweise eine Kulturbühne unter einem Walnussbaum mit Atrium – als Treffpunkt für Feste, Gespräche und Kulturveranstaltungen.
Die Gartengruppe, die sich „Gartenaktivistas“ nennt, kümmert sich um alle Teile des solidarischen Stadtteil-Gartens. Die Vereinsmitglieder haben sich in mehrere Untergruppen organisiert, wie Gartengestaltung, Kräutergarten und Kultur.
Für Schulklassen und Besucher*innen werden Führungen angeboten. Kinder können mitgärtnern und den Garten mitgestalten.
Der Klostergarten Ilbenstadt steht allen offen – als grüner Ort des Miteinanders, der Bildung und des nachhaltigen Handelns.
Wie Gemeinschaftsgärten zu Heilung bei Erfahrungen von Flucht, Verlust oder Gewalt beitragen können, war Thema der Tagung „Solidarische Gärten, solidarische Ernte“. Sie fand Ende Juni 2025 auf dem Gelände der Berliner Prinzessinnengärten statt. Veranstaltet von der anstiftung und Xenion e.V., lotete sie das Potenzial der Gärten für Trauerarbeit, Traumabewältigung und soziale Teilhabe aus.
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